Fahnenflucht

Magazin gegen Nationalismus und krieg

Fragebogen-Wehrpflicht

Sie ist wieder zurück, die Wehrpflicht in Deutschland. Wieder einmal haben die rot-grünen Kriegstreiber unter Beweis gestellt, dass sie die geeigneten Steigbügelhalter für Kriege und Genozide sind, dass sie im Zweifel immer bereitstehen, um einen militaristischen Mobilisierungsschub einzuleiten und nicht bloß Menschen in entfernten Landen, weit außerhalb des Blickfeldes ihrer „Wählerschaft“ zu metzeln, in Kriege zu stürzen und mit militärischer Gewalt aus ihrer Heimat zu vertreiben, zu vergewaltigen, zu morden und auszuhungern, sondern auch den Krieg im „eigenen“ Lande, sprich dem besetzten Territorium über das sie herrschen, vorzubereiten. Und dazu gehört nicht bloß das großspurige Säbelrasseln der Außenpolitik, die Investitionen in Rüstungsproduktion, dafür erforderlichen Raubbau, Infrastrukturprojekte und Neuanschaffungen von allerhand Kriegsgerät, sondern auch der propagandistische Prozess der Erzwingung von Konformität in der Bevölkerung, die Förderung der Kriegsbereitschaft durch (nationalistische) Hetze, durch das herbeiphantasieren und nötigenfalls auch die repressive/geheimdienstliche Erzeugung von „Bedrohungen“ wie Terroranschlägen und -gefahren, „hybride Kriegsbedrohungen“, Inflation usw. Und schließlich ist es unverzichtbar die Bevölkerung hinsichtlich ihrer Eignung für die Vernutzung im Kriege zu erfassen und segmentieren.

Dass dabei die Wehrpflicht, die vor gut einem Jahrdutzend ausgesetzt wurde, zunächst einmal nicht vollumfänglich zurückkehrt, sondern als verpflichtend auszufüllender Fragebogen, ebenso wie die schwachsinnigen, an jeder Realität vorbeigehenden medial inszenierten Debatten darum, mögen darüber hinwegtäuschen, dass so ein Fragebogen schlicht eine Modernisierung und Effizienzsteigerung des Musterungsverfahrens darstellt und zudem ein geeignetes Instrument ist, um die „Musterung“ von rund einem Dutzend Jahrgängen effizient nachzuholen. Zuglich bietet die Niederschwelligkeit eines solchen Fragebogens, die Möglichkeit ihn abends auf dem Sofa auszufüllen, eine Gelegenheit, auch jene, die bislang nicht von einer Wehrpflicht betroffen waren, Frauen, auf (vorerst) freiwilliger Basis ebenfalls zu „mustern“ und damit eine weitere Planungs- und Vernutzungssteigerung zu erzielen. Um das wirklich zu verstehen ist es notwendig, einen kurzen Blick darauf zu werfen, wie ein Militär funktioniert, wie es klassischerweise funktioniert hat, und wie es in der heutigen Gesellschaft funktionieren soll.

Als erstes müssen wir dazu mit einem Mythos aufräumen: Das Militär ist nicht bloß das, was an der Front kämpft. Tatsächlich ist die Front sogar der allerkleinste Teil des Militärs und oft sogar nicht einmal der mörderischste. Aber alles zu seiner Zeit. Worum genau geht es bei einem militärischen Konflikt? Klar, die wirtschaftlichen und politischen Eliten streiten sich darum, wer wen ausbeuten darf, bzw. wer wie viel Profit von der gemeinsam organisierten Ausbeutung von Menschen und Erde einstreichen darf. Das ist immer das Gleiche, egal ob es uns als Geopolitik, Besetzung von Territorien oder Konflikte um Handelsrouten präsentiert wird. Aber um das geht es ja auch in Zeiten des sogenannten Friedens, in denen ökonomische Ränkespiele, Verträge, Investitionen, usw. das gleiche regeln. Die Besonderheit des militärischen Konflikts liegt darin, dass zwei oder mehr Parteien um die physische Kontrolle eines bestimmten Territoriums ringen – und zwar mit Waffengewalt. Das beinhaltet einerseits den gewaltsamen Sieg über die Truppen des Feindes/der Feinde, andererseits aber auch die Bevölkerung dieses Territoriums entweder der neuen Herrschaftsordnung gegenüber gefügig zu machen, oder aber sie auszulöschen, bzw. zu vertreiben. Meist ist das eine Mischung: Plündernde, mordende und vergewaltigende Truppen brechen den Widerstand der Bevölkerung, verschleppen diejenigen, die Anstalten machen, sich zu wehren, oder auch nur Einspruch zu erheben, in Gefangenenlager, wo sie sie entwürdigen, versklaven und vergewaltigen, manchmal auch ermorden, schlagen sie in die Flucht und regieren dann über den verbleibenden Rest der Bevölkerung durch Abkommen mit lokalen Eliten. Wir sehen das auf der ganzen Welt, alltäglich, egal ob in Afghanistan, Syrien, Irak, Gaza, der Krim und Ukraine, Korea, Vietnam, Kongo, usw. usw. Im Grunde gibt es kein Territorium auf der Welt, in dem die herrschende Regierung nicht einst auf solche Weise entstanden wäre.

Es ist also für das Militär von entscheidender Wichtigkeit, das Territorium hinter der Frontlinie fest unter Kontrolle zu haben, was auch beinhaltet, die dort lebenden Menschen auf beschriebene Weise gefügig gemacht zu haben. Das erklärt beispielsweise warum etwa in der Ukraine die russische Übermacht so „langsam“ vorrückt, obwohl kein vernünftiger Mensch anzweifeln würde, dass das Land innerhalb von wenigen Tagen überrannt werden könnte. Ohne den Menschen jedoch vorher alles zu nehmen, ihnen zu demonstrieren, dass Widerstand zwecklos ist und mit brutaler Gewalt beantwortet wird und so bloß eine Verlängerung des Elends bedeutet, würden im Anschluss schnell die Versorgungslinien an die Front einbrechen und man würde eine ebenso schnelle Niederlage erleiden. Anders ausgedrückt: So etwas wie einen „Blitzkrieg“ gibt es nicht, er ist entweder Hybris der Machthaber oder aber „Opium fürs Volk“, das niemals bereit ist, jahre- und jahrzehntelanges Elend auf sich zu nehmen, von der Aussicht einer schnellen Rückkehr nach Hause jedoch regelmäßig geblendet wird. Eine Alternative im militärischen Vorgehen, man könnte sie die offen genozidale nennen, sehen wir in Gaza. Dort treiben die einrückenden Truppen die Menschen aus ihren Häusern und vor sich her. Menschen werden bereits im Vorfeld angehalten, ihre Häuser zu verlassen, teils sogar ihre Heimat insgesamt, und sich in Lager zu begeben. Wer zurückbleibt wird zum legitimen Ziel militärischer Auslöschung erklärt. Die durchs Land gejagten, enteigneten und in jeder Hinsicht mittellosen Flüchtlinge stellen dann nur noch eine geringfügige (militärische) Gefahr dar. Sie sind erschöpft, ausgehungert und unterliegen ihrer Abhängigkeit von der Versorgung in den Konzentrationslagern1, in denen sie zusammengepfercht werden.

So oder so. Für das Militär ist es von essentieller Wichtigkeit, dass von der Front bis hin zu den Waffen- und Munitionsfabriken und Öllagern, bzw. sogar -quellen oder verallgemeinerter Energiequellen, den Nahrungsproduzenten und auch sämtliche Infrastruktur im Rücken der Frontlinie nicht bloß unter seiner Kontrolle steht, sondern auch funktioniert. Und dafür braucht es noch sehr viel mehr Menschenmaterial als in den Stellungen der Frontlinie. Wir kennen das noch aus den Erzählungen der Großeltern und Urgroßeltern. Wer nicht an die Front geschickt wurde, der arbeitete an der von der NS-Propaganda sogenannten Heimatfront in Munitionsfabriken, Verpflegungs-Konservenfabriken, anderer kriegsrelevanter Industrie, usw., oft gezwungenermaßen und schlecht oder gar nicht entlohnt. Bei Bauern wurden mit Gewalt Getreidevorräte, Vieh, etc. beschlagnahmt, Männer wurden zum Straßenbau eingezogen, wenn sie für die Front nicht geeignet waren, zum Bau von Bunkeranlagen, Flughäfen und Fabriken, Wissenschaftler wurden angehalten für das Militär Waffensysteme, etc. zu entwickeln, sonst ging es auch für sie an die Front, Frauen stellten telegraphische Kommunikationsverbindungen her, arbeiteten in (Rüstungs-) Fabriken anstelle der Männer, wurden zum Gebären angehalten oder gar zwangsprostituiert, um in Bordells der SS und Wehrmacht die Gelüste der Generäle, aber auch einfacher Soldaten zu befriedigen.

Für alle, die sich weigerten, oder die einer Gruppe zugerechnet wurden, von deren grundsätzlicher Weigerung, bzw. „Volksfeindlichkeit“ man ausging, standen die KZs bereit, um sie mit brutaler Gewalt zu vernutzen. Die Arbeit der Frauen wurde dabei weitestgehend und bestmöglich unsichtbar gemacht, weil sie das zentrale Mobilisierungsnarrativ für Frontsoldaten, dass diese nämlich für die Sicherheit „ihrer“ Frauen morden und vergewaltigen würden, störte. Wie in Deutschland war das auch bei allen anderen Kriegsparteien. Die Atombomben beispielsweise wären ohne die Plutonium-Gewinnung in Fabriken mit tausenden Frauen, die das Material dort in Handarbeit produzieren mussten, ohne Schutz und ohne zu wissen, wie giftig das war, nicht möglich gewesen. Gleiches gilt natürlich für so gut wie alle Waffen, die in Munitionsfabriken vor allem von Frauen zusammengesetzt wurden. Damals wie heute versucht(e) das Militär natürlich auch, die Menschen gemäß ihrer zivil erworbenen Fähigkeiten zu vernutzen. Ingenieure und Wissenschaftler sind an der Front wertlos, in den Munitionsfabriken und der (Waffen-) Forschung jedoch können sie dem Militär große Dienste erweisen. Ärzte und MedizinerInnen können in Lazaretten Soldaten wieder fit für die Front machen. Hobby-Bastler können, wie in der Ukraine zu sehen ist, zivile Drohnen und ferngesteuerte Spielzeuge zu Kamikaze-Waffen umbauen. Organisationstalente und Logistiker können zur Planung und Steuerung von Truppen und Materialverlegungen eingesetzt werden, Zugführer und LKW-Fahrer Transporte an die Front, etc. fahren, während LehrerInnen die Jugend scharf machen und deren Begeisterung für den Krieg wecken sollen, PolitikerInnen die übrige Bevölkerung aufhetzen und PolizistInnen und RichterInnen für die Verfolgung von Kriegsgegnern und anderen störenden Elementen im bereits besetzten Gebiet, den Schutz „kritischer Infrastruktur“, usw. sorgen. Je bessere Voraussetzungen jemand für eine Aufgabe mitbringt, desto nützlicher ist er oder sie für den militärischen Apparat. Und je kritischer jemand dem Militär gegenübersteht, desto besser eignet er sich dazu – sofern man nicht gleich zum Schluss kommt sie oder ihn hinzurichten oder wegzusperren – an vorderster Front das zu tun, wofür das Militär allgemein bekannt ist, zu sterben und möglichst zuvor noch mehr als einen feindlichen Soldaten abzuknallen.

Wir sehen das beispielsweise in der Ukraine. Männer, die versuchen das Land zu verlassen, um einer Einziehung ins Militär zu entgehen, oder Männer, die aus dem Ausland zurückkehren, etwa weil sie dort ausgewiesen wurden, etc., werden an den Grenzen verhaftet und direkt an die Front, in die blutigsten Kämpfe geschickt. Sie erhalten eine minimale Ausbildung an der Waffe und dann schickt man sie auf Himmelfahrtskommandos. Denn wer schon einmal versucht hat, zu fliehen, so die offensichtliche Kalkulation der skrupellosen Militärs, der soll „seinem“ Land wenigstens im Tode dienen, dann hat er nicht erneute Gelegenheit dazu.

Mit diesem komplexeren Verständnis des Militärs, als bloß jenem von der Front, wird auch der Zweck des Fragebogens besser ersichtlich. Man will wie bei der Musterung auch, nur ohne körperliche Untersuchung – elektronische Krankenakten, samt Vorsorge-Untersuchungen, Fitness-Hypes und dadurch gesammelte Daten, usw. machen diese Informationen ja (in naher Zukunft) ohnehin zugänglich und es braucht ja im Zweifel bloß ein Dekret, um auf diese Daten massenhaft zuzugreifen – feststellen, wer für welche militärische Aufgabe geeignet wäre, sowie darüber hinaus auch die Bereitschaft der Menschen dem Militär zu dienen. Das ist perfide. Denn ein ausgefüllter Fragebogen, der einen heute davor schützt, die Grundausbildung absolvieren zu müssen, kann morgen schon ein Empfehlungsschreiben für ein Himmelfahrtskommando sein.

Und gerade weil erst einmal nicht allzu viel auf dem Spiel zu stehen scheint, ist bei dem Fragebogen damit zu rechnen, dass er bereitwillig(er) ausgefüllt wird. Und er hat den Vorteil, dass mit ihm in kürzester Zeit auch die nachträgliche Musterung jener möglich ist, die einer militärischen Erfassung durch die Aussetzung der Wehrpflicht in großen Zahlen entgangen sind und deren nachträgliche Musterung im klassischen Stil eine nicht bewältigbare Aufgabe wäre. Und ganz ähnlich ist das auch mit den Frauen. Selbst wenn (vorerst) kein Zwang besteht, ist es doch sehr viel einfacher, sie zum Ausfüllen eines Fragebogens zu bewegen, als zu einer entwürdigende(re)n Musterung durch das militärische Personal.

So trägt der Fragebogen auch einem mittlerweile doch beträchtlich gewandelten gesellschaftlichen Rollenverständnis Rechnung, denn wo zivile berufliche Kompetenzen gleichmäßig(er) auf die Geschlechter verteilt sind, Frauen nicht mehr nur vorrangig in einfachen Jobs ohne nötige Fachausbildung angestellt werden, bzw. nicht mehr nur in den klassischen, auch militärisch relevanten Sparten wie (Kranken-) Pflege und Sekretariat, da kann auch das Militär davon profitieren, Frauen nicht bloß zu den hergebrachten Hilfstätigkeiten einzusetzen, sondern sie noch mehr wie auch die Männer gemäß ihrer zivil erworbenen Fähigkeiten zu vernutzen. Das bedeutet freilich nicht, dass sie nicht auch weiterhin entwürdigt, versklaft, zwangsprostituiert und vergewaltigt werden würden. Bloß eben mit dem nötigen Augenmaß.

Ich denke es ist sehr wichtig, den neuen Fragebogen in diesem Sinne zu verstehen und damit auch die ihm eigene neuartige Bedrohung für unsere Leben zu erkennen, anstatt in ihm erleichtert das mildere Mittel zur Musterung zu erkennen und so leichtfertig sein zukünftiges Todesurteil auszufüllen. Es bedarf daher auch ganz neuer Diskussionen darum, wie man sich diesem Frohndienst für das Vaterland erfolgreich entziehen kann und es gilt angesichts der bedrohlichen Geschwindigkeit der Umsetzung keine Zeit zu verlieren, diese Diskussionen mit unseren Vertrauten zu führen und (neu) auszuloten, wie wir uns diesem staatlichen Zugriff gemeinsam entziehen können.

Veröffentlicht in Fahnenflucht Nr. 1, 5./6. Mond 2025 Baiern, S. 13-19.

  1. Ich weiß, das Thema ist aufgeladen und auch propagandistisch wird die korrekte historische Bezeichnung solcher Lager als Konzentrationslager als „antisemitisch“ verunglimpft. Es sind aber die gleichen Mechanismen wie die in afrikanischen Kolonien, in Nord- und Südamerika, China, Russland, usw. (einst) eingerichteten Konzentrationslager, von denen sich auch die Nationalsozialisten zu ihren KZs inspirieren ließen und ich sehe keine Veranlassung diesen Mechanismus aus Gründen einer fragwürdigen political correctness, die diesem Genozid das Wort redet, anders zu nennen! ↩︎